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ODIN

Osseodisintegration enossaler Implantate mit biophysikalischen Methoden

IGF-Projekt: 20302 N  (2018 - 2022)

 

DIE HERAUSFORDERUNG

Weltweit werden jährlich über 15 Millionen Dentalimplantate eingesetzt. Dabei werden 6-16 mm lange Schrauben im Kieferknochen (= enossal) fixiert, die anschließend irreversibel festwachsen (= Osseointegration) und so die notwendige Festigkeit erlangen, um Zahnersatzkonstruktionen tragen zu können.

Allerdings können Komplikationen auftreten, z. B. bei Implantatbrüchen, Verschleiß mit daraus resultierenden Passungenauigkeiten, Entzündungen oder ästhetischen Problemen, sodass es notwendig oder sinnvoll ist, Implantate zu entfernen. Allerdings ist die Osseointegration bisher irreversibel. Zur Entfernung sind die Implantate aus dem Knochenlager herauszufräsen, was erhebliche Knochendefekte um das Implantatbett herum verursacht. Dies verschlechtert jedoch die Möglichkeiten einer implantologischen Neuversorgung erheblich.

Ein gewebeschonendes Verfahren zur Osseodisintegration, also zur Lösung von Dentalimplantaten von den mit ihnen verwachsenen Knochenzellen, wäre ein Meilenstein in der Implantologie.

 

DIE INNOVATIONSIDEE

Ziel war die Entwicklung eines innovativen Verfahrens zur atraumatischen Osseodisintegration enossaler Dentalimplantate. Der von ODIN verfolgte Ansatz beruhte auf einer intentionellen Lösung der strukturellen und funktionellen Verbindung zwischen Knochenzellen und Implantat durch kontrollierte Einbringung optimierter thermischer Impulse und homogener Temperatur-Ausbreitung.

Idealerweise kann eine für die effektive Lösung der Verbindung notwendige Erwärmung oder Kühlung räumlich eng auf den Bereich entlang der Implantat/Knochenzellen-Grenzfläche begrenzt werden. Durch eine dieserart erzielbare Reversibilität der Osseointegration sollen Implantate mit geringen Kräften herausgeschraubt werden können, ohne mehr als eine < 0,5 mm dünne Knochenschicht an der Grenzfläche zum Implantat zu denaturieren.

Die Innovationsentwicklung bedurfte einer Methodik zur gezielten Temperierung, numerische und experimentelle Untersuchungen bzgl. des thermischen Einflusses entlang der Grenzflächen, In-vivo-Verifizierung an Tiermodellen sowie Standardisierung eines Verfahrens.

 

DIE ERGEBNISSE

Es wurden drei Temperierungsmethoden entwickelt, eine elektrische Erwärmung mittels Heizelement, eine Laser-optische Erwärmung mittels Dentallaser und eine Erwärmung oder Kühlung durch erzwungene Konvektion (s. Abb. unten). Der thermische Einfluss auf die Verbindungsfläche Implantat/Knochen wurde für die genannten Temperierungsmethoden zunächst artunspezifisch, dann ex vivo an realen Implantaten in Schweinekiefern und in vivo an Implantaten in Kleintieren (Ratten) und Großtieren (Schweinen) untersucht.

In dem Projekt konnte eine gleichmäßige, lokal begrenzte und damit schonende Temperierung der gängigsten Zahnimplantate erreicht werden. Dadurch konnten thermische Schädigungen von Knochen außerhalb einer < 0,5 mm dünnen Knochenschicht an der Grenzfläche zum Implantat vermieden werden. Innerhalb dieser Knochenschicht hingegen stellten sich bei denselben Temperierungsbedingungen Anzeichen für die beabsichtigte Osseodisintegration ein: Bei In-vivo-Untersuchungen an Ratten konnten mit dem Transmissionselektronenmikroskop Zellschäden in der direkten Implantatumgebung nachgewiesen werden, unabhängig von der gewählten Temperierungsmethode. Unter anderem kam es zur Schrumpfung und Ablösung von der umgebenden Knochenmatrix, teilweise zu nekrotischen Zellen, die leere Ausbuchtungen ("Lakunen") hinterließen.

Es konnte ein ideales Temperaturfenster für die Osseodisintegration der Implantate identifiziert werden, bei dem das Implantat eine Temperatur von 50 °C erreicht. Die besondere Eignung dieses Temperaturfensters wurde bei den Untersuchungen am Kleintiermodell bestätigt. Intensität und Dauer der Temperierung haben dabei einen signifikanten Einfluss auf die Homogenität der Temperaturverteilung an der Implantat/Knochen-Grenzfläche sowie an der Ausbreitung der Temperierung in den umgebenden Knochen. Eine höhere Heizleistung bei entsprechend kürzerer Aufheizzeit von z. B. < 2 Minuten führen zu einer inhomogeneren Temperaturverteilung auf der Implantatoberfläche, jedoch zu einer geringeren Penetrationstiefe der Temperierung in den Knochen und damit zu einer geringeren thermisch bedingten Knochennekrose.

Die Versuche am In-vivo-Großtiermodell lieferten keine weitere Bestätigung der Ergebnisse, da die Implantate von den Tieren nicht angenommen und herausgebissen wurden.

 

KMU-NUTZEN

Die Ergebnisse von ODIN tragen zur Entwicklung neuer Geräte zur Implantat-Entfernung und für andere Anwendungen bei. So profitieren vor allem kleinere Hersteller von thermischen Quellen für verschiedene Anwendungsnischen. Auch Zahnarztpraxen profitieren durch das neue Geschäftsfeld einer gewebeschonenden Implantatextraktion. Über diese KMU-Nutzen hinaus profitieren Implantathersteller beliebiger Größe von den erarbeiteten Auslegungsempfehlungen für Osseodisintegrationsgeeignete Implantat-Innengeometrien.

 

Laufzeit: 01.09.2018 - 31.05.2022

Beteiligte Forschungseinrichtungen

  • RWTH Aachen, Lehrstuhl für Wärme- und Stoffübertragung
  • RWTH Aachen, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Eingebundene Unternehmen
(Projektbegleitender Ausschuss, "PA")

  • Akademie für zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe
  • BEGO GmbH & Co. KG
  • bredent med. GmbH & Co. KG KMU
  • Bürkert Werke GmbH & Co. KG
  • CAMLOG Vertriebs GmbH
  • Limmer Laser GmbH KMU
  • LLS ROWIAK GmbH KMU
  • Mectron Deutschland GmbH KMU
  • Medentika GmbH
  • National Instruments GmbH
  • RWTH Aachen, Klinik für Unfallchirurgie und Wiederherstellungschirurgie
  • Schlumbohm GmbH & Co. KG KMU
  • Sirona Dental Systems GmbH
  • SPECTARIS, Dt. Industrieverband
  • W & H Deutschland GmbH
  • Zahnärzte Ayoub KMU
  • Zahnärzte am Kirchplatz Düsseldorf KMU
  • Zahnärztliche Praxis für Parodontolologie KMU

Von diesen beteiligten sich die Unternehmen Bürkert Werke GmbH & Co. KG, LLS ROWIAK GmbH, Medentica GmbH sowie W & H Deutschland GmbH an der Deckung der auf freiwilliger Basis durch die Wirtschaft zu tragenden Administrationskosten. Die F.O.M. bedankt sich im Namen der begleitenden Branchen.

 

BMWK-Förderung

  • Das IGF-Vorhaben Nr. 20302 N der F.O.M. wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
  • Fördersumme: 492.448 EUR

Deckung der Administrationskosten

  • Eine Deckung der Administrationskosten durch freiwillige Förderbeiträge interessierter Industrieunternehmen wurde bei Weitem nicht erreicht. Von einer fortgesetzten Verfolgung der Projektidee im Rahmen der IGF über dieses Projekt hinaus muss die F.O.M. daher leider absehen.
     

Wissenschaftliche Publikationen

  • Kniha K, Hermanns-Sachweh B, Al-Sibai F, Kneer R, Möhlhenrich SC, Heitzer M, Hölzle F, Modabber A. Effect of thermal osteonecrosis around implants in the rat tibia: numerical and histomorphometric results in context of implant removal. Sci Rep, 2022; Dec 23;12(1):22227. DOI: 10.1038/s41598-022-25581-9
  • Kniha K, Hölzle F, Al-Sibai F, Jörg J, Kneer R, Modabber A. Heat Analysis of Different Devices for Thermo-explantation of Dental Implants: A Numeric Analysis and Preclinical In Vitro Model. J Oral Implantol. 2021; Dec 1;47(6):455-463. DOI: 10.1563/aaid-joi-D-20-00046
  • Kniha K, Buhl EM, Hermanns-Sachweh B, Al-Sibai F, Bock A, Peters F, Hölzle F, Modabber A. Implant removal using thermal necrosis—an in vitro pilot study. Clin Oral Invest 25, 2021; 265–273. DOI: 10.1007/s00784-020-03361
  • Winnen RG, Kniha K, Modabber A, Al-Sibai F, Braun A, Kneer R, Hölzle F. Reversal of Osseointegration as a Novel Perspective for the Removal of Failed Dental Implants: A Review of Five Patented Methods. Materials (Basel), 2021; Dec 17;14(24):7829. DOI: 10.3390/ma14247829
  • Kniha K, Heussen N, Weber E, Möhlhenrich SC, Hölzle F, Modabber A. Temperature Threshold Values of Bone Necrosis for Thermo-Explantation of Dental Implants-A Systematic Review on Preclinical In Vivo Research. Materials (Basel), 2020; Aug 6;13(16):3461. DOI: 10.3390/ma13163461

Abschließende Ergebnisse

Weitere Informationen für eingebundene PA-Unternehmen

  • Präsentationen und Protokolle der PA-Sitzungen
    -  19.05.2021 (Webkonferenz)
    -  09.11.2020 (Webkonferenz)
    -  17.09.2019 (MKG RWTH, Aachen)
    -  29.11.2018 (WSA RWTH, Aachen)
  • Zwischenberichte
    -  Zwischenbericht für 2021
    -  Zwischenbericht für 2020
    -  Zwischenbericht für 2019
    -  Zwischenbericht für 2018
  • Posterpräsentationen
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2022
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2021
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2020
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2019
    -  Poster F.O.M.-Konferenz 2018
  • Detaillierter Abschlussbericht