IGF-Projekt: 19639 N (2017 - 2020)
Bei Untersuchungen zur Hautkrebsfrüherkennung erfolgt die chirurgische Entnahme tumorverdächtigen Gewebes und dessen Analyse bisher meist nur auf Basis visueller Kontrollen und in Abhängigkeit von der Erfahrung der untersuchenden Ärzte. Dadurch wird häufig die rechtzeitige Entfernung bösartiger Melanome versäumt, während viele harmlose Muttermale herausoperiert werden. Die frühzeitige Erkennung von Melanomen und Exzision sind jedoch entscheidend für eine erfolgreiche Hautkrebsbehandlung.
Ein System, welches den Arzt bei der (frühzeitigen) Erkennung von Hauttumoren unterstützt und auch dem unerfahrenen Allgemeinarzt ein Screening ermöglicht, existiert aktuell nicht, würde jedoch die Mortalität erheblich senken.
Ziel des Vorhabens HSI-plus war die Entwicklung eines bildgebenden Messsystems, das die objektive Erkennung prämaligner Läsionen der Haut ermöglicht.
Hierzu wurden zwei Technologien kombiniert: Mit strukturierter Beleuchtung sollte eine Tiefenauflösung erreicht und störende Signale aus unteren Gewebeschichten herausgefiltert werden, sodass ein hyperspektrales Kamerasystem Zellveränderungen durch eine ortsaufgelöste Erfassung optischer Hauteigenschaften erkennen kann. Unter Berücksichtigung der Lichtausbreitung in der Probe sollte eine quantitative Bestimmung der Inhaltstoffe, wie z. B. des Melaningehalts in der Haut oder der Sauerstoffsättigung im Blut, ermöglicht werden, was bisher mit der in der Diagnostik und Messtechnik vielfältig eingesetzten, berührungslosen Methode – die optische Spektroskopie – nur mit aufwendigen Kalibrationsmessungen erreicht werden kann.
Weiterhin sollte die Messung mit dem kombinierten System nicht nur an einem Punkt, sondern bildgebend und spektral aufgelöst an über 1000 Punkten gleichzeitig erfolgen, sodass das System in den industriellen, medizinischen und wissenschaftlichen Bereichen einsetzbar ist, in denen spektrometrische Systeme und/ oder Kamerasysteme verwendet werden.
Zusammen mit einer erfahrenen Dermatologin und den Unternehmen des Projektbegleitenden Ausschusses wurden zu Projektbeginn Anforderungen an das zu entwickelnde Bildgebungsverfahren definiert – z. B. ein Spektralbereich von 490-980 nm sowie eine Spezifität und Sensitivität > 90 % – auf deren Basis verschiedene Laborsysteme aufgebaut wurden.
Ein Laboraufbau bestehend aus einem Messsystem mit Schwarz-Weißkamera und strukturierter multispektraler Beleuchtung über LEDs wurde aufgrund hoher Empfindlichkeit, kurzer Messdauer und gutem Signal-Rausch-Verhältnis zu einem Demonstrator entwickelt.
In dem Funktionsdemonstrator wurde das Licht von neun farbigen LEDs eingekoppelt, die gemeinsam auf einen Glasstab zur Farbmischung aufgesetzt wurden. Unmittelbar nach dem Stabende befindet sich ein umlaufendes Filterrad mit fünf verschiedenen Streifenmustern, die, ähnlich einem Diaprojektor, sequentiell auf die Hautoberfläche abgebildet werden. Nach jedem Umlauf wird eine andere LED-Farbe eingeschaltet und so eine sequentielle multispektrale Bilderfassung mit neun Farben und fünf Streifenmustern realisiert.
Die maximale Strahlungsleistung beträgt < 36 mW/cm2 in 2 cm Entfernung zum Messsystem, womit das Messgerät nach EU-Norm 270106 für künstliche optische Strahlung Augen- und Hautsicher ist. Die relative Abweichung zur Referenz (Absorption und reduzierter Streukoeffizient) liegt im gesamten Messbereich knapp unter 10 % und somit innerhalb der ursprünglich definierten Genauigkeit.
Erwartungsgemäß konnte mit dem Messsystem der dunklere Nävus über einen höheren Absorptionskoeffizienten über den gesamten sichtbaren Spektralbereich deutlich abgebildet werden.
Neben der Früherkennung von Melanomen kann das Messsystem für weitere medizinische Anwendungen, wie die Erkennung anderer Tumorarten und Gewebeveränderungen genutzt werden. Ebenso sind die Aussichten der Einsetzbarkeit des Messsystems in vielfältigen, anderen Branchen enorm, wie z. B. in der Lebensmittelkontrolle, in der Pharmazie, Papier- und Textilindustrie, in der Mülltrennung, im Bereich der Computergrafik oder im Homecare-Bereich. Die Anpassung der im Projekt entwickelten Methoden und Komponenten an Fragestellungen in diesen Branchen ist mit geringem Investitionsaufwand möglich. Damit eignet sich das System insbesondere für KMU und für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
Das IGF-Projekt HSI-plus wurde mit dem Otto von Guericke-Preis ausgezeichnet und damit zum IGF-Projekt des Jahres 2020 gekürt.
Laufzeit: 01.08.2017 - 30.04.2020
Beteiligte Forschungseinrichtung
Eingebundene Unternehmen
(Projektbegleitender Ausschuss, "PA")
Von diesen beteiligten sich die Unternehmen Berliner Glas KGaA, Carl Zeiss Optotechnik GmbH, DIOPTIC GmbH, inno-spec GmbH, LASER COMPONENTS Germany GmbH, Optis GmbH, POG Präzisionsoptik Gera GmbH und Richard Wolf GmbH an der Deckung der auf freiwilliger Basis durch die Wirtschaft zu tragenden Administrationskosten. Die F.O.M. bedankt sich im Namen der begleitenden Branchen.
BMWK-Förderung
Vorhabensbeschreibung
Wissenschaftliche Publikation
Mediale Präsenz
Akademische Abschlussarbeiten
Abschließende Ergebnisse
Weitere Informationen für eingebundene PA-Unternehmen
Die Projektergebnisse wurden am 17. Juni 2021 auf dem Innovationstag Mittelstand des BMWK (Digital Edition) präsentiert.