IGF-Projekt: 19083 N (2016 - 2018)
Die Phasenkontrastmikroskopie, eines der wichtigsten mikroskopischen Kontrastverfahren um transparente, ungefärbte Zellen sichtbar zu machen, ist ein Durchlichtmikroskopieverfahren, bei dem eine Ringblende in den Beleuchtungsstrahlengang eingebracht und das Licht im Objektiv über einen Phasenring geleitet wird. Überlagern sich Ringblendenabbild und Phasenring, entstehen Phasenkontrastbedingungen.
Bei der Zellkulturherstellung, z. B. in der Stammzellforschung, werden standardisierte Mikrotiterplatten (MTP) zur Kultivierung verwendet. Diese bestehen aus mehreren zylindrischen Einzelgefäßen, den „Wells“. Innerhalb eines Wells bildet das Nährmedium in Abhängigkeit vom Verhältnis seiner Kohäsion zur Adhäsion zur Gefäßwand in der Regel eine Oberflächenwölbung aus, so dass eine Flüssigkeitslinse entsteht. Die konkave Wölbung der Flüssigkeitslinse bewirkt sowohl Verzerrungen des Ringblendenabbildes als auch Verschiebungen durch den sich im Bildfeld verändernden Tangentialwinkel, wodurch die Überlagerung von Ringblende und Phasenring insbesondere in den stärker gewölbten Randbereichen nicht mehr in der Fläche erstreckend einzustellen ist. Dieser Effekt ist umso extremer, je kleiner der Durchmesser eines Wells ist. Das Phasenkontrastverfahren versagt hier und ein Großteil der Zellen kann nicht untersucht werden.
Ziel des IGF-Projekts APERITIf ist die vollständige Wiederherstellung des Phasenkontrasts durch eine automatische optische Kompensation der unerwünschten Effekte durch die Flüssigkeitslinse. Adaptive Phasenkontrastmikroskopie kann diese Verzerrungen und Verschiebungen rein optisch ausgleichen, indem adaptive optische Elemente in den Strahlengang eingebracht werden.
Ein adaptives, flüssigkeitsgefülltes Prisma, das im Rahmen des Projektes entwickelt wurde, wird in die Beleuchtung ein gebracht, so dass der Tangentialwinkel der Flüssigkeitslinse kompensiert werden kann. Dazu wird das Prisma über Motoren im Winkel geneigt. Ein Strahlteiler erlaubt die gleichzeitige Beobachtung von Ringblendenabbild und Phasenkontrastbild. Die Ringblende wird durch eine transmissive Flüssigkristallanzeige (LCD) erzeugt, welche wie ein Smartphone-Display funktioniert. Dadurch kann die Ringblende dynamisch als Schwarz-Weiß-Matrix erzeugt und in Position sowie Form verändert werden.
Auf Basis einer kontinuierlichen Auswertung der Überlagerung im Ringblendenabbild bestimmen vollautomatische Algorithmen dann die Einstellung von Ringblende und Prisma. Die entwickelte Software erlaubt so eine automatische Aufnahme von ganzen Mikrotiterplatten mit vollautomatischer Kompensation bei verschiedenen Vergrößerungen. Dabei wird der Aufnahmebereich im Stop-and-Go-Modus abgerastert. Bei jedem Stopp wird die Art der Überlagerung durch Bildverarbeitung bestimmt, Prisma und Ringblende ausgerichtet und anschließend ein Phasenkontrastbild aufgenommen. Die Beleuchtungselemente sind in einem Adapter zusammengefasst, der sich leicht an marktübliche Mikroskope anpassen lässt.
Mit diesem Ansatz konnte der Bereich, in dem Phasenkontrast möglich ist, deutlich gesteigert werden. Je nach Vergrößerung und Wellgröße können auf diese Weise mehr als das 10-fache der Fläche unter Phasenkontrastbedingungen aufgenommen werden. Damit ist es mit dieser Lösung erstmals möglich, automatisierte adaptive Phasenkontrastmikroskopie bei Standard-Mikrotiterplatten durchzuführen.
Aufgrund der weiten Verbreitung der Phasenkontrastmikroskopie als Standardverfahren ist die wirtschaftliche Bedeutung als hoch anzusehen. Zum einen ist das für die manuelle Mikroskopieanwendung an Mikrotiterplatten, zum anderen bei automatisierten Mikroskopiesystemen mit automatisierten Bildverarbeitungsroutinen relevant. Hier sind schonende Kontrastverfahren wichtig. Der Verzicht auf eine Fluoreszenzfärbung spart nicht nur Kosten und Zeit, sondern ist auch für viele Lebendzellenuntersuchungen von Vorteil, da keine externen Störfaktoren in Form von Farbstoffen vorliegen.
Im Mikroskopiebereich zählen Systemintegration und Softwareentwicklung zu den Aufgabenfeldern der Gesamtsystemanbieter. Mikroskopkameras, Scanningtische und Beleuchtungen sind in der Regel Zukaufteile, die von spezialisierten Firmen entwickelt werden. Die Platzierung der Meniskuseffekt-Kompensationseinheit am Markt ist in gleicher Weise denkbar. Für die als Zulieferer in Frage kommenden Unternehmen ist eine Modularisierung des Aufbaus vorteilhaft. So können einzelne Submodule, wie das adaptive Prisma mit seiner präzisen Mechanik, von darauf spezialisierten Unternehmen, wie die Physik Instrumente GmbH & Co. KG, angeboten werden. Das gleiche gilt für die adaptive Ringblendeneinheit, bei der die Displaytechnologie der HOLOEYE Photonics AG zum Einsatz kommen kann. Die Modularisierung öffnet zudem die Technologie für KMU. So können z. B. Anbieter von Komplettsystemen auch auf KMU-produzierte Module zurückgreifen und sie in ihre Geräte integrieren.
Laufzeit: 01.07.2016 - 30.06.2018
Beteiligte Forschungseinrichtung
Eingebundene Unternehmen
(Projektbegleitender Ausschuss, "PA")
Von diesen Unternehmen beteiligten sich die Unternehmen ACQUIFER AG, ALS Automated Lab Solutions GmbH, HOLOEYE Photonics GmbH, ITK Dr. Kassen GmbH, Lead Discovery Center GmbH und OLYMPUS SOFT IMAGING SOLUTIONS GbH an der Deckung der auf freiwilliger Basis durch die Wirtschaft zu tragenden Administrationskosten. Die F.O.M. bedankt sich im Namen der begleitenden Branchen.
BMWi-Förderung
Abschließende Ergebnisse
Weitere Informationen für eingebundene PA-Unternehmen
Die Projektergebnisse wurden am 7. Juni 2018 auf dem Innovationstag Mittelstand des BMWK in Berlin präsentiert.