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28.05.2024

BMWK sperrt sich gegen Regelungen des Haushaltsgesetzes und hemmt damit innovationsorientierte Forschung für den Mittelstand

Bundesregierung setzt fragwürdige Schlechterstellung von nicht institutionell geförderten Forschungseinrichtungen fort

Das sogenannte "Besserstellungsverbot" soll in seiner Anwendung auf die deutsche Forschungslandschaft sicherstellen, dass einer möglichst effektiven Verwendung öffentlicher Fördermittel für die innovationsorientierte Projektforschung im Sinne des Zuwendungszwecks keine übermäßigen Gehaltszahlungen an die Angestellten von Forschungseinrichtungen entgegenstehen. Forschungseinrichtungen, die ihre Kosten überwiegend durch Einnahmen aus Fördermittel des Bundes decken, dürfen demzufolge ihre Mitarbeiter nicht besser stellen als Angestellte des öffentlichen Dienstes mit vergleichbaren Tätigkeiten. Das Besserstellungsverbot ist damit grundsätzlich ein sehr sinnvolles Instrument zur Vermeidung von nicht zweckorientierter Verwendung von Steuergeldern und zur Maximierung des Nutzens der bereitgestellten Fördermittel. Als 'übermäßig' werden dabei Gehälter bezeichnet, die über denen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) liegen.

Aufgrund der Rohstoffarmut Deutschlands kommt der Innovationskraft der deutschen Industrie eine besondere Bedeutung zu: Sie sichert die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und damit den Wohlstand und die Sicherheit des Landes. Würden die klügsten und besten Köpfe der deutschen Forschungslandschaft aufgrund nicht wettbewerbsfähiger, niedrigerer Gehälter ins Ausland abwandern, wäre die Rolle Deutschlands als eine der innovationsstärksten Industrienationen in der Welt nicht zu halten. Die Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit unseres Beitrags zur Adressierung aktueller globaler Herausforderungen wären drastisch.

Um einer solchen Abwanderung entgegenzuwirken, gibt es seit Ende 2012 das "Gesetz zur Flexibilisierung von haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen außeruniversitärer Wissenschaftseinrichtungen", oder kurz, "Wissenschaftsfreiheitsgesetz" (WissFG). Dieses erkennt an, dass auch Forschungseinrichtungen in ihrem Bestreben, exzellente Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager, beispielsweise Institutsleiter, zu gewinnen und zu halten, einem internationalen Wettbewerb unterliegen, und stellt außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtungen vom Besserstellungsverbot frei. Zu den dieserart Begünstigten gehören konkret die Forschungseinrichtungen der großen deutschen Forschungsgemeinschaften (Fraunhofer-Gesellschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die Max Weber Stiftung, das Wissenschaftskolleg zu Berlin, die Alexander von Humboldt-Stiftung und der Deutsche Akademische Austauschdienst. Nicht dazu gehören jedoch beispielsweise die gemeinnützigen Institute ohne institutionelle Förderung.

Seit dem Jahreswechsel 2021/22 sorgt eine Neuauslegung des Besserstellungsverbots allerdings für Irritationen. Vor der Neuauslegung war der Geltungsbereich des Besserstellungsverbots auf die Gehälter projekteingebundener Wissenschaftler beschränkt. Nach redaktionellen Änderungen in den "Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung" (ANBest-P) aus dem Jahr 2019 galt das Besserstellungsverbot jedoch neuerdings auch für Gehälter nicht projekteingebundener Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager. Liegen also beispielsweise Gehälter der Institutsleitung, wie marktüblich, über denen des TVöD, dürfen gemeinnützige Forschungseinrichtungen ohne institutionelle Förderung, die ihren Haushalt überwiegend aus Geldern der öffentlichen Hand des Bundes bestreiten, keine weiteren öffentlichen Projektfördermittel entgegennehmen. Eine nutzenorientierte Ausschöpfung von Forschungskapazitäten ist für diese Forschungseinrichtungen dann oft nicht mehr möglich. Die Innovationsforschung wird gebremst, was Deutschland  im internationalen Wettbewerb zurückwirft.

In der Folge der Neuauslegung stellten über 80 Forschungseinrichtungen ohne institutionelle Förderung Ausnahmeanträge beim Bundesministerium der Finanzen (BMF), um ebenso von der Einhaltung des Besserstellungsverbots freigestellt zu werden, wie die unter das WissFG fallenden Institute. Die wenigsten dieser Anträge wurden seither beschieden, worüber die F.O.M. bereits vor einem halben Jahr in ihrem Artikel "Kein Stillstand trotz Haushaltssperre? …" berichtete.

Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zu diesem Thema beschloss der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags am 18. Oktober 2023, dass die Ungleichbehandlung zwischen Forschungseinrichtungen mit und ohne institutionelle Förderung  aufgehoben werden solle, um das gesamte Potenzial der deutschen Innovationsschöpfung wieder nutzen zu können. Es wurde eine Lösung im Rahmen einer Anpassung im Haushaltsgesetz 2024 (HG 2024) vereinbart, die dann auch kam, wenn auch mit Verspätung.

Der Gesetzgeber korrigierte damit die zu weit gegangene schärfere Neuauslegung des Besserstellungsverbots. In § 8 Absatz 2 HG 2024 heißt es:

"Die in Absatz 1 genannten Zuwendungen zur institutionellen Förderung dürfen nur mit der Auflage bewilligt werden, dass der Zuwendungsempfänger seine Beschäftigten nicht besserstellt als vergleichbare Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Bundes. Entsprechendes gilt bei Zuwendungen zur Projektförderung, wenn die Gesamtausgaben des Zuwendungsempfängers überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand bestritten werden. Satz 2 gilt nicht, soweit die projektgeförderte Einrichtung den bei ihr Beschäftigten außer den unmittelbar im Projekt Beschäftigten das Besserstellungsverbot übersteigende Gehälter aus Mitteln zahlt, die weder unmittelbar noch mittelbar von der deutschen öffentlichen Hand finanziert werden. Daneben gilt Satz 2 nicht, wenn die Zuwendungen der öffentlichen Hand überwiegend von einem Bundesland geleistet werden und das Haushaltsrecht dieses Bundeslandes ein Besserstellungsverbot vorsieht. [...]"

Der Gesetzgeber steuerte hier also ganz bewusst nach und genehmigt den Bezug öffentlicher Forschungsförderung auch für Innovationsprojekte nicht institutionell geförderter Institute, wenn die Gehaltsanteile der Institutsleitungen, die über dem TVöD liegen, von Mitteln finanziert werden, die beispielsweise im Zuge von Auftragsforschung für die Industrie eingenommen wurden.

Bis heute stellt sich jedoch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gegen diese Regelung des Haushaltsgesetzes und hemmt dadurch die von der Wirtschaft so dringlich benötigte Innovationsforschung: Am 15.03.2024 führte das BMWK für das wichtigste Forschungsförderprogramm des deutschen Mittelstands, die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), den neuen "Weiterleitungsvertrag" (WLV) ein, der die Weitergabe der Fördermittel an die Forschungseinrichtungen erneut an die innovationshemmenden Regelungen der ANBest-P bindet.

Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, die zwar nun im Haushaltsgesetz verankerten neuen und bedarfsgerechteren Regelungen des Besserstellungsverbotes durch eine weitere Flexibilisierung noch innovationsfreundlicher zu gestalten, wurde in der Ausschusssitzung am 11. April 2024 durch das Votum der Regierungsfraktionen ebenfalls abgelehnt.

Dem Mittelstand und dem IGF-Netzwerk, das jährlich über 20.000 Unternehmen mit Technologietransfer beliefert, würde es schon helfen, wenn sich das Bundeswirtschaftsministerium nicht weiterhin gegen die Regelungen des Bundeshaushaltsgesetzes sperrt.